Prof. Dr. Martin S. Fischer, Professor für Spezielle Zoologie und Evolutionsbiologie an der Universität Jena und sein Team legten 2011 Ihre Studie zur Fortbewegung von Hunden vor.  Die „Jenaer Studie “ dauerte  4 Jahre an und ist die bisher umfassendste Forschungsarbeit über die Gelenkwinkelverläufe, Segmentbewegungen, Gangmuster, Schrittlänge, Schrittdauer, etc. des Hundes weltweit. Die „Jenaer Studie“ zum Gangapparat des Hundes ist  repräsentativ und vergleichend und nutzte erstmalig verschiedene Kombinationen von Bildgebungsapparaten, die zu spektakulären neuen Erkenntnissen führten. An der Studie nahmen insgesamt 327 Hunde aus 32 Hunderassen teil, die sich in Körpergröße, Winkelung der Gelenke und Rahmen extrem unterschieden.

Die Wissenschaftler benutzten für ihre Studie drei Messsysteme, ein Infrarotbewegungsmesssystem, zwei Hochgeschwindigkeitsvideokameras und eine französische Hochgeschwindigkeitsröntgenkamera.  (Mittels biplanaren Hochgeschwindigkeitsröntgenanlagen wird die Strahlendosis reduziert und eine kürzere Behandlungszeit erreicht!) Die Hunde wurden von je zwei Hochgeschwindigkeitskameras aus unterschiedlichen Positionen (von vorne und von der Seite) in unterschiedlichen Gangarten (Schritt, Trab, Galopp), auf einem genormten Laufband aufgenommen. Während der Untersuchungen legten sie ca. 2-4 Kilometer in ca. 45 Minuten Aufnahmezeit zurück. Das Infrarotbewegungssystem nutzte reflektierende Marker an den Rückenlinien und Gelenkpunkten des Hundes, welche die von insgesamt sechs Kameras ausgesendeten Infrarotblitze zurück warfen. Wurden die Reflektionen eines Markers von jeweils zwei Kameras erfasst, war es möglich, ein dreidimensionales (3D) Koordinatenbild zu erstellen und die jeweiligen Gelenkwinkel des Hundes konnten bestimmt werden. Anhand einer Kombination der biplanaren Röntgen Fluoroskopie und einer Infrarot Bewegungsanalyse mit externen Markern konnte erstmals eine dreidimensionale kinematische Analyse gemacht und die erfassten Strukturen wie z.B. das Schulterblatt des Hundes in der Bewegung sichtbar gemacht werden.

Die Aufnahmen zeigten, dass veraltete Darstellungen des Hundeskeletts nicht den Tatsachen entsprechen! Anders als bisher angenommen, haben sich die Gliedmaßen des Hundes, wie bei allen Säugetieren, von zwei zu drei Segmenten verändert. Bei den Vorderläufen des Hundes ist  das Schulterblatt als drittes Segment hinzugekommen, während bei den Hinterläufen der Mittelfuß „umgebaut“ ist. Bewegt sich ein Hund vorwärts, so entsprechen sich daher jeweils Schulterblatt und Oberschenkel,  Oberarm und Unterschenkel sowie Unterarm und Mittelfuß in der Bewegung.

Die Studie der Biologen der Uni Jena widerlegte viele bisherige Ansichten und stellte deutlich dar, dass das neu entstandene Bild  vieler Diagnosen des Gangwerks des Hundes, spektakuläre neue Erkenntnisse hervorbrachte! So wies man nach, dass der eigentliche Drehpunkt der Vorderläufe das Schulterblatt ist und nicht, wie bislang immer vermutet, das Schultergelenk. Das heißt, dass sich das Schulterblatt bei der Vorwärtsbewegung des Vorderlaufs um etwa 35 Grad dreht! Das Schultergelenk bleibt unter der Bewegung statisch. Dies änderte nun auch den Blick auf die Beziehung der oberen Drehpunkte des Bewegungsapparates. Entgegen der bisherigen Annahmen, liegt das Hüftgelenk in der Realität auf Höhe des oberen Randes des Schultergelenks. Durch die Röntgenaufnahmen konnte man sehen, dass sich Schulterblatt/Unterarm und Oberschenkel/Mittelfuß wie parallel geschaltet bewegen. Dieses Prinzip nennt sich „Pantographenbein“. Dieses Fortbewegungsprinzip hängt maßgeblich von der Länge des mittleren Segments des Bewegungsaparates ab. Beim Hund ist dies der Oberarm.

Der Oberarm eines Hundes ist, je nach individueller Größe, natürlich unterschiedlich lang. Wobei in Bezug zur gesamten Länge des Vorderbeins die Oberarmlänge, laut „ Jenaer Studie“, ganz genau 27 Prozent beträgt.  Die Länge des Schulterblattes misst im Vergleich zur Gesamtlänge des Vorderbeins zwischen 24 bis 34 Prozent und ist bei kurzbeinigen Hunden im Gegensatz zu langbeinigen Hunden relativ lang. Die Fortbewegung des Hundes hängt hauptsächlich von den Proportionen des Oberarms ab. Da diese bei allen untersuchten Hunden identisch waren, liegt die Folgerung nahe, dass alle Hunde, egal wie groß, ähnlich gehen.

Die Jenaer Studie gibt in keiner Weise Anhaltspunkte zu Konstruktionen von Hundegeschirren und bewertet die auch nicht, da während der Studie gar keine Hundegeschirre zum Einsatz kamen! Die Hunde liefen während der Studie, wenn überhaupt, immer nur mit Halsband. Die Jenaer Studie hat sich nur mit den Laufbildern der Hunde und deren Bewegungsabläufen befasst und geht nicht auf die Muskelfunktionen ( der Brust und des Halses ) der Hunde ein und auch nicht darauf, dass Gurte und Hundegeschirre bei der Fixierung signifikant an der Haut und Fell scheuern oder diese sogar einklemmen.

 

Videos:

Hunde in Bewegung – Laufband normal und vor Hochgeschwindigkeitsröntgenapparat

Hunde in Bewegung – Skelett und Muskulatur 

DOGS IN MOTION, Prof. Dr. Martin S. Fischer, KYON Symposium 2017