„Gofree“ – ein kleiner Mischlingshund, erleichtert einem 11-jährigen glutenintoleranten Mädchen den Alltag, indem es Lebensmittel erschnüffelt, die für sie gefährlich sind und ihr auch psychologische Unterstützung in schwierigen Momenten bietet.
„Gofree“ absolvierte seine Ausbildung erfolgreich zum ersten medizinischen Assistenzhund in Ungarn und Europa, zum Erschnüffeln von Gluten. Gofree hat nun offiziell begonnen, an der Seite seiner Besitzerin Emma, die die Grundschule besucht, zu arbeiten. Aus dem Grund interviewten wir Nóra Sziklai Bengyel, die Mutter von Emma und Volontärin beim Verein „NEO Magyar Segítőkutya Egyesület” (NEO Ungarischer Assistenzhundeverein) (http://segitokutya.net/).
Wie wurde „Gofree“ zum Assistenzhund? Was waren die Herausforderungen seiner Ausbildung?
Gofree wurde im Alter von 4 Monaten in das Trainingsprogramm des Vereins NEO Magyar Segítőkutya Egyesület aufgenommen. Assistenzhunde verbringen in der Regel das erste Jahr ihres Lebens bei Pflegeeltern, wo sie eine Erstausbildung erhalten und danach kommen sie zum Trainer und dann zum Endbesitzer. Unser Fall war etwas Besonderes, weil Gofree sofort zu uns kam, also sind wir auch seine Pflegeeltern und seine endgültigen Besitzer. Gofree wurde ausgebildet, um meiner 11-jährigen Tochter, die an Zöliakie (Glutenintoleranz) leidet, zu helfen. Die Ausbildung verlief zweigleisig. Zum einen leistete der NEO-Verein die spezielle Assistenzhunde-Grundausbildung und wir baten um die Hilfe eines ausländischen Meistertrainers für das Geruchstraining. Die Beteiligung der slowenischen Kollegin Maja Golob war notwendig, weil noch niemand in Ungarn zuvor, einen Signalhund für Lebensmittelallergien trainiert hatte und wir mussten diese neue Methode erst erlernen. Maya Golob bildete vor 10 Jahren in Amerika den ersten Gluten-Signalhund aus. In Europa ist Gofree der erste speziell ausgebildete Gluten-Signalhund. Die Ausbildung wurde im März diesen Jahres abgeschlossen und am Ende der fast zweijährigen Trainingsdauer legte Gofree einen Vereinstest ab, wo er sein Können unter Beweis gestellt hat. Diese zwei Jahre waren voller Herausforderungen, denn das war für uns ein ganz neuer Bereich. Das Geruchstraining fand aufgrund der geographischen Entfernung hauptsächlich im Rahmen von Online-Schulungen statt, aber wir mussten oft zur persönlichen Beratung nach Slowenien reisen. Das Erlernen der Gerüche erforderte viel Übung, Geduld, Ausdauer und obwohl die Trainingsmethode selbst durch einen einfachen, geregelten Prozess stattfindet, sind wir bei der Umsetzung oft in Sackgassen geraten. Die viele Arbeit hat sich aber gelohnt und jetzt kann Gofree die Gluteninhalte in Lebensmitteln zuverlässig signalisieren. Leider musste die offizielle Assistenzhund-Prüfung verschoben werden, da der Ort wo die Vorbereitung und die Prüfung stattfindet, wegen der Corona-Pandemie geschlossen wurde.
Wie und nach welchen Kriterien wurde Gofree für die Aufgabe ausgewählt?
Assistenzhunde werden als Welpe, von Trainern und anhand verschiedener Tests, ausgewählt. Gofree wurde als 3 Monate alter Welpe bei den Hunderettern von Pilis-Buda abgegeben, mit denen wir seit Jahren in Kontakt sind. Die Hunderetter informierten uns, dass ein Welpe mit einem guten Nervenkostüm angekommen war, der möglicherweise zum Assistenzhund geeignet sei. Also besuchten wir die Hunderetter mit einem Trainer und testeten Gofree. Im Rahmen spielerischer Aufgaben schauen die Profis unter anderem darauf, wie kooperativ der Welpe ist und in speziellen Situationen motiviert werden kann. Die Testergebnisse zeigten, dass Gofree die Fähigkeiten und Anlagen hatte, ein ausgezeichneter Assistenzhund zu werden.
Welche Menge Gluten kann Gofree riechen?
Ein Lebensmittel gilt als glutenfrei, wenn ein Kilogramm weniger als 20 mg Gluten enthält. Leider verträgt Gofrees kleine Besitzerin selbst diese kleine Menge von 20 mg Gluten nicht! So bestand der Zweck der Ausbildung darin, die minimale Menge unter 20 mg Gluten in der Nahrung zu erkennen. Das Training war erfolgreich, weil Gofree auch die kleinsten messbaren Einheiten, weniger als 10 mg Gluten pro 1 Kilogramm Lebensmittel, riechen kann. Wenn wir nicht sicher sind, ob eine Mahlzeit glutenfrei ist, besteht Gofrees Arbeit darin, eine Probe des Essens zu beschnüffeln, die wir vorher in ein spezielles Gefäß gegeben haben. Dieses Gefäß ist geschlossen, aber es gibt Löcher auf der Oberseite, aus denen der Geruch entweichen kann. Gofree kann diesen Geruch wahrnehmen und zwei Arten von Signalen geben. Wenn das Essen frei von Gluten ist und konsumiert werden kann, bleibt er bewegungslos. Wenn er Gluten in der Probe riecht, dann legt er seine Pfote auf das Gefäß – was darauf hindeutet, dass das Lebensmittel nicht sicher ist.
Gluten-Signalhunde werden in den Vereinigten Staaten seit einiger Zeit ausgebildet, aber Gofree ist der erste Hund dieser Art in Europa. Was ist der Grund dafür?
In den USA begann vor zehn Jahren der erste Gluten-Signalhund der Welt, der vom selben Spezialisten trainiert wurde der auch Gofree trainierte, seine Arbeit. Die slowenische Trainerin Maja Golob hat Hunde dieser Art allerdings nur in Amerika ausgebildet, denn von dort kamen auch die Anfragen dazu. In der Zwischenzeit haben auch verschiedene Ausbildungsorganisationen in Amerika begonnen Gluten-Signalhunde für die Asisstenzhundearbeit auszubilden. Gluten-Signalhunde sind noch nicht in anderen Ländern der Welt verbreitet, weil man lange nicht wusste, dass es eine solche Art der Assistenzhunde überhaupt gibt. In Ungarn sind meistens die Blindenführhunde bekannt, obwohl es seit 10 Jahren bereits Assistenzhunde für behinderte Menschen, Servicehunde, Signalhunde usw. gibt, die ihren Besitzern in Not helfen können. Die Einführung eines neuen Typs von Assistenzhund beginnt oft damit, dass die betreffende Person im Ausland auf einen neuen Typ von Assistenzhund trifft, so dass der Wunsch nach solch ausgebildeten Hunden auch in häuslichen Kreisen entsteht. Die Ausbildung des ersten Assistenzhundes für Behinderte und des ersten Signalhundes begann in Ungarn auf die gleiche Weise. Wir hoffen, dass mit die Ausbildung von Gofree, diese neue Art von Assistenzhunden, auch in Ungarn populärer wird. Unser Verein hat bereits mehrere Anfragen erhalten.
Wie hat Gofree das Leben ihrer Familien verändert?
Gofree ist nicht unser erster Assistenzhund in der Familie und wir planten seine Ankunft schon lange. Mein kleines Mädchen Emma wusste von Anfang an, dass dieser Hund nur ihr gehören wird und ihr helfen würde. Vielleicht ist das der Grund, warum sie sich vom ersten Moment an extrem nah gekommen sind. Die Ankunft eines Welpen hat natürlich große Veränderung für unsere Familie mitgebracht, trotz der Tatsache, dass er als dritter Assistenzhund Teil des Rudels wurde. Gofree war ein fröhlicher, lebhafter Welpe und im ersten Jahr brauchte er genauso wie jeder andere Welpe besonders viel Aufmerksamkeit. Sehr schnell wurde die Ordnung im Flur wieder hergestellt (die Schuhe wurden in den Schrank gestellt) beziehungsweise lernten die Kinder, deren Kinderzimmertür zu schließen, damit das Spielzeug auf dem Boden nicht zwischen unbefugte Zähne und Pfoten gerat. Gofrees Ausbildung begann sofort, nachdem er zu uns kam: Er lernte die grundlegenden Gehorsams- und Sozialisationsaufgaben in Hundeschul- und Vereinskursen. Gofrees Ankunft brachte viele zusätzliche Aufgaben mit sich, da das Aufziehen eines Welpen nicht einfach ist, aber es ist gleichzeitig auch ein sehr liebes und schönes Alter. Die 2-jährige Ausbildung brachte auch eine aufregende Zeit in unser Leben, mit viel Arbeit. Am Ende der Lernphase zeigte Gofree zuverlässig das Vorhandensein von minimalen Mengen Glutens in Lebensmittelproben an. Dies ist für uns eine sehr große Hilfe in vielen Fällen, nicht nur zu Hause, wenn neue Produkte in unsere Küche kommen, sondern auch, wenn wir draußen unterwegs sind, wenn geprüft werden muss, ob die eine oder andere neue Leckerei für Emma glutenfrei ist.
Wie würden Sie die Beziehung zwischen Emma und Gofree beschreiben?
Emma und Gofree sind sehr gute Freunde und spielen viel zusammen. Von Anfang an habe ich Emma in die Pflege des Hundes und das Spazierengehen einbezogen und das hat ihre Beziehung von Anfang an geprägt. Es ist sehr wichtig, dass Assistenzhunde eine große Hilfe für ihre Besitzer sind, nicht nur körperlich, sondern auch geistig. In unserem Fall ist das nicht anders. Zöliakie (Glutenunverträglichkeit) bedeutet eine lebenslange, sehr strenge Ernährung. In unserem Fall ist es noch ausgeprägter, weil Emma überempfindlich ist – sie fühlt sich sogar bei der kleinsten Kreuzkontamination schlecht. Eine solch strenge Ernährung einzuhalten ist nicht einfach, es bringt eine Menge Frustration und Angst mit sich. Es ist auch schwieriger, soziale Beziehungen zu erleben, da der Schwerpunkt gesellschaftlicher Zusammenkünfte und Aktivitäten in der Regel eine Art gemeinsames Essen ist, an dem jemand, der eine Lebensmittelunverträglichkeit hat, nicht einfach teilnehmen kann. Selbst ein Stück Kuchen aus dem Rucksack, von daheim selbst mitgebracht, kann eine Geburtstagstorte nicht ersetzen, die bei der Feier angeboten wird. Ein vierbeiniger Helfer kann das Gefühl der Ausgrenzung und Angst aber erheblich lindern, zusätzlich zur Überprüfung der Glutenfreiheit der gekauften und angebotenen Lebensmittel.
Gofrees Besitzerin, Nóra Sziklai Bengyel ist Kooperationspartnerin von Julius-K9®.